Übersetzung des Artikels "Chirurgische behandeling bij Hereditaire Multipele Exostosen (HME)" aus dem NEWSFLASH nr.4 vom Oktober 2000, der Informationsschrift
der niederländischen Selbsthilfegruppe. Wir bedanken uns bei unseren niederländischen Kollegen für die Erlaubnis, diesen Artikel veröffentlichen zu dürfen.
Chirurgische Behandlung bei HME
Wiedergabe eines Vortrages auf dem 3. Schicksalsgenossentag am 3. Juni 2000 in Holland von Dr. S. J. Ham (Orthopädischer Chirurg) und Dr. P. Maathuis (Orthopädischer
Chirurg), beide am Akademischen ? Groningen
Einführung
HME ist eine erbliche Krankheit (autosomal dominant), die dazu führt, dass Exostosen, auch Osteochondromen genannt, in der Gegend rund um die Wachstumslinien des
Skeletts (den sogenannten Metaphysen) entstehen. Das Vorkommen (Anzahl der Menschen, die diese Krankheit haben) beträgt ungefähr 1 auf 50.000 Menschen. Die meisten Osteochondromen können als
gutartige Knochengeschwüre betrachtet werden; bösartige Entwicklungen kommen auch vor. Wie oft diese bösartige Entwicklung vorkommt ist allerdings nicht bekannt; die Zahlen schwanken zwischen 1%
und 10 %. Die Osteochondromen wachsen, wie bekannt ist, solange die Wachstumslinien im Knochen offen sind; also solange der Patient im Wachstum ist. Die Osteochondromen bestehen aus Knochen und
aus einer Knorpelschicht, die wie eine Hülle über die Knochenausstülpung liegt. Die Osteochondromen sind mit einem Stiel oder mit einer breiten Basis mit dem darunterliegenden Knochen verbunden
und kommen hauptsächlich rund um die aktiven Wachstumslinien vor.
Bestimmte genetische Veränderungen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von HME; drei sogenannte Tumor Suppressor Gene (EXT Gene) sind mittlerweile
identifiziert und befinden sich auf Chromosom 8 (EXT 1; bei ungefähr 50% der Patienten mit HME), Chromosom 11 (EXT 2; bei ungefähr 33 % der HME-Patienten vorkommend) und auf Chromosom 19 (EXT 3).
Die Anzahl von Osteochondromen, ihre Wichtigkeit und der Typ von der Deformation her und sogar ihr Maß an Bösartigkeit fluktuiert aber innerhalb und zwischen Familien; die unterschiedlichen
Chromosomenabweichungen könnten für diese sehr breite klinische Variabilität bei HME eine Erklärung geben.
Chirurgische Indikationen
Osteochondromen werden im Prinzip größer bis ein Kind ausgewachsen ist. Viele Exostosen bleiben unauffällig und brauchen nicht herausgeschnitten zu werden. Andere
können diverse Probleme verursachen wie zum Beispiel
1.
Kosmetische Beschwerden.
2.
Schmerzen.
3.
Druck auf Nerven, Blutgefäße oder sogar auf das Rückenmark durch (wachsende) Exostosen. Dies sind sehr wichtige Indikationen, weil das Nichtbehandeln dazu führen
kann, dass die Funktionen der Nerven zum Teil oder ganz ausfallen oder dass die Blutzirkulation in einem Gliedmaß eingeschränkt wird. Ein berüchtigter Ort einer Nervenkompression ist am Kopf des
Unterschenkels gerade unterhalb des Kniegelenkes wo ein Osteochondrom auf den Nervus Peroneus drücken kann, eine Nervenbahn, die unter anderem dafür sorgt, dass man den Fuß aktiv heben kann und
der auch dafür sorgt, dass man im Fuß und im Unterschenkel Gefühl hat.
4.
Bewegungseinschränkungen eines Gelenkes durch ein Osteochondrom.
5.
Eine Deformität (abweichende Ausrichtung); dies kann zum Beispiel dazu führen, dass ein Gliedmaß verkürzt wird oder in einem abweichenden Winkel steht.
6.
Bösartige Entartung eines Osteochondroms; dies ist eine absolute Indikation für ein chirurgisches Entfernen des dann bösartigen Tumors.
So wie bei jedem operativen Eingriff besteht auch hier die Möglichkeit von Komplikationen, zum Beispiel bei den Nervenbahnen, den Blutgefäßen, Infektion, das nicht
mehr Wachsen von Knochen nach einem korrigierenden Eingriff und die Möglichkeit eines Rezidivs (das heißt das Neuentstehen eines Osteochondroms; das nach manchen Autoren sogar eine
Wahrscheinlichkeit von 30-50% hat).
Chirurgische Möglichkeiten
Abhängig von den Abweichungen, also immer individuell abhängig, gibt es verschiedene Möglichkeiten an chirurgischen Behandlungen.
1.
Entfernen eines Osteochondroms. Das Osteochondrom wird dabei an seiner Basis durchgeschnitten und weggenommen. Ob das ein einfacher oder schwieriger Eingriff ist
hängt davon ab, wo es im Körper ist, wie groß es ist, und eventuell auch ob vitale Strukturen (wie zum Beispiel wichtige Blutgefäße und Nervenbahnen) in der Nähe sind.
2.
Eine korrektive Osteotomie eines abweichenden Knochens. Hierbei wird der Knochen, der eine abweichende Ausrichtung hat, durchgesägt und danach wieder in eine bessere
Lage zurückgebracht, in der der Knochen letztendlich wieder festwachsen muss. Diverse Techniken und Hilfsmittel sind hierbei möglich.
3.
Eine Epifysodese. Hierbei kann das Wachstum einer Hälfte so einer Wachstumslinie gestoppt werden. Wenn zum Beispiel die Rede ist von einem zunehmenden X-Stand des
Unterschenkels kann man mit Metallkrampen an der Innenseite des Schienbeines unterhalb des Knies die noch nicht geschlossene Wachstumslinie überbrücken. Dadurch wird das Wachstum an der
Innenseite gebremst, geht aber an der Außenseite weiter. Dadurch wird der Knochen insgesamt gerader.
4.
Verlängerung des zu kurzen Knochens (oder Verkürzung des zu langen Knochens; ist weniger logisch). Verschiedene chirurgische Techniken sind hierbei möglich. Im
Prinzip wird bei einer Verlängerung eines Gliedmaßes der Knochen durchgesägt und die beiden Enden langsam auseinandergezogen (zum Beispiel 1 mm pro Tag) mit Krampen, die an beiden Seiten der
Schnittflächen im Knochen verankert und außen an einer Art Rahmen befestigt sind. Die Wunde, die dadurch zwischen den beiden Teilen des durchgesägten Knochens entsteht, wird vom Körper mit neuer
Knochensubstanz gefüllt. Ehrlichkeitshalber muss aber gesagt werden, dass diese Art des Eingriffs risikoreich ist, d.h. es können viele Komplikationen auftreten (vor allem
Infektionen).
5.
Herausnehmen eines Teils des Knochens. Dies geht nur in bestimmten Gebieten. Zum Beispiel wenn durch ein Osteochondrom Druck auf den Nervus Peroneus entstanden ist,
dort wo quasi der Knubbel des Schienbeins ist, so wie oben beschrieben, dann kann dieser Kuppel besser ganz herausgenommen werden zusammen mit dem Osteochondrom.
Wichtig ist sich klar zu machen, dass ein operativer Eingriff, zum Beispiel das Wegnehmen eines Osteochondroms auch ohne direkte Beschwerden zum Ziel haben kann, das
Problem auf lange Sicht zu verhindern, hauptsächlich bei in Mitleidenschaft gezogener Nerven und Blutgefäße.
Neue Entwicklungen?
In einem aktuellen Artikel von Carroll et al. wurde ein Vergleich zwischen HME-Patienten mit oder ohne eine Abweichung beim Chromosom 8 dargestellt. Gruppe A
(Patienten mit Chromosom 8 Abweichung) hatten im Allgemeinen eine mäßige Deformierung der Unterarme mit langen gestielten Osteochondromen. Weiter war ein mäßiger X-Stand („Valgusstand“) der
Sprunggelenke und Hüfte sichtbar, letzteres kam oft asymmetrisch (auf einer Seite) vor. In Gruppe B (keine Chromosom 8 Abweichungen) waren 95 % der Osteochondromen vom sessilen (breitbasischen)
Typ, mit ernsthaften Beeinträchtigungen der Unterarme, der Sprunggelenke, des Wadenbeinknochens und der Hüfte, wobei die letzten viel öfter beidseits in Mitleidenschaft gezogen waren und die
Intensität der Hüftdysplasie auch viel ernsthafter war. Der Zustand in Gruppe C (auch eine nicht Chromosom 8 Gruppe) war viel weniger ernsthaft; es waren in dieser Gruppe weniger und kleinere
Osteochondromen und auch die Deformierungen waren viel weniger ausgeprägt. Sessile Osteochondromen kamen in 75% der Fälle vor. Schmerzbeschwerden kamen viel öfter in Gruppe B vor, so wie
kosmetische Beschwerden und Längenprobleme, usw.
Darüber hinaus fanden diese Autoren eine statistisch signifikante Beziehung zwischen der Stärke der Deformität mit Winkelproblemen und dem Prozentsatz der sessilen
Osteochondromen. Breite Osteochondromen würden mehr Kraft oder Druck ausüben auf die unterliegende Wachstumslinie und Deformitäten (Abweichungen) verursachen, insbesondere wenn diese
Wachstumslinie selbst klein aber aktiv war (zum Beispiel am Ende des Unterarmes (Ulna) in der Gegend des Handgelenkes). Die Zunahme der Deformierung, die man in den Unterarmen der Patienten sehen
konnte, die einen höheren Prozentsatz sessiler Osteochondromen hatten, unterstützt diese Theorie.
Auch Porter et al. fanden heraus, dass die Anwesenheit von Osteochondromen assoziiert war mit Wachstumsstörungen. Insbesondere war eine umgekehrte Beziehung zwischen
die Größe der Osteochondromen und der relativen Knochenlänge festzustellen. Diese Resultate legen nahe, dass ein Wachstumsrückstand bei HME die Folge eines lokalen Effekts von wachsenden
Osteochondromen ist. Dies alles könnte bedeuten, dass für verschiedene Gruppen von Patienten, wenn man sie einteilt auf der Basis der genetischen Abweichungen oder nach Prozentsatz oder Größe der
sessilen Osteochondromen, verschiedene Behandlungen oder eine Behandlung in jüngerem Alter notwendig sein kann um ein möglichst gutes Resultat zu erzielen.
Wir danken Herrn Paul van der Horst für die Übersetzung!
Erstveröffentlichung am 23.10.2003 - letzte Änderung/Überprüfung dieser Internetseite am 09.02.2017